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Wenn aus Staat plötzlich Privat wird

Rechtsanwaltskammerpräsident Dr. Heis gemeinsam mit den Referenten und Moderator Mag. Sommersacher Mag. Markus Sommersacher, Präsident der Österreichischen Ärztekammer Dr. Artur Wechselberger, Präsident der Tiroler Rechtsanwaltskammer Dr. Markus Heis, Landesrat HR Mag. Johannes Tratter und Universitätsprofessor Dr. Karl Weber

In Zeiten von Wirtschafts-, Finanz- und Bankenkrise steigt der budgetäre Druck auf die öffentliche Hand und damit auch die Bereitschaft, Aufgaben aus Kostengründen auf Privatpersonen auszulagern.

In Zeiten von Wirtschafts-, Finanz- und Bankenkrise steigt der budgetäre Druck auf die öffentliche Hand und damit auch die Bereitschaft, Aufgaben aus Kostengründen auf Privatpersonen auszulagern. Davon ist zunehmend auch die Rechtsanwaltschaft betroffen.

Um diese Entwicklung zu diskutieren, veranstaltete die Tiroler Rechtsanwaltskammer am 12.04.2013 in Innsbruck ihr 10. Anwaltssymposium mit dem Titel „Mehr Privat statt Staat? Auslagerungen hoheitlicher Aufgaben auf die Bevölkerung". In seinem Jubiläumsjahr widmete sich das Symposium daher wieder einem gesellschaftlichen Thema. Als Vortragende referierten neben Landesrat Mag. Johannes Tratter auch Universitätsprofessor Dr. Karl Weber sowie Ärztekammerpräsident Dr. Artur Wechselberger. Die anschließende Diskussion moderierte der ehemalige ORF-Tirol Chefredakteur Mag. Markus Sommersacher.

Heis: Für und Wider beleuchten
„Rechtsanwälte sind zunehmend davon betroffen, dass sie Aufgaben vom Staat übertragen bekommen, die eigentlich nicht in unseren Aufgabenbereich fallen. Etwa die neue Immobilienertragsteuer, die seit Jahresbeginn vom Rechtsanwalt grundsätzlich im Wege der Selbstberechnung ermittelt und abgeführt werden soll, um nur ein Beispiel zu nennen. Dieser Entwicklung stehen wir zwar nicht grundsätzlich negativ gegenüber, es sollte aber das Für und Wider eingehend beleuchtet werden. Wir nutzen daher unser Anwaltssymposium dafür, um über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und eine breiter angelegte Diskussion zum Thema mit Vertretern aus Politik, Lehre und Medizin zu ermöglichen und Erfahrungen untereinander auszutauschen", zeigt sich Dr. Markus Heis, Präsident der Tiroler Rechtsanwaltskammer, vom Mehrwert des Anwaltssymposiums überzeugt.

Tratter: Auslagerungen nur bei Vorteilen für Staat und Bürgerinnen
„Die Devise ‚Mehr Privat statt Staat' klingt zugegebenermaßen auf den ersten Blick attraktiv. Wer die Verwaltung und deren hoheitliche Aufgabenbereiche genau genug analysiert, erkennt jedoch sehr rasch die Gefahren und somit auch die Grenzen einer überzogenen Erwartungshaltung. Eine Auslagerung hoheitlicher Aufgaben ist in erster Linie dann vorzunehmen, wenn sie auf lange Sicht für beide Seiten – Staat sowie Bürgerinnen und Bürger – von Vorteil ist", so Landesrat Mag. Johannes Tratter.

Wechselberger: Immer weniger Zeit für Patienten
„Die Gesetzgebung im Gesundheitsbereich (ASVG usw. Anm.) der letzten Jahre war darauf ausgerichtet, dass insbesondere Administrations- und Dokumentationsaufgaben an Ärztinnen und Ärzte ausgelagert wurden. Besonders zu beobachten ist diese Entwicklung bei den Sozialversicherungsträgern, die bürokratische Tätigkeiten auf die niedergelassenen ÄrztInnen überwälzt haben. Diese Aufgabenverschiebung erfolgte einerseits ohne ausreichenden Kostenersatz und führt andererseits dazu, dass die Ärzte immer weniger Zeit für den einzelnen Patienten haben", zeigt sich Ärztekammerpräsident Wechselberger besorgt über diese Entwicklung.

Weber: Der Staat ist auf privates Engagement angewiesen
„Die Österreichische Bundesverfassung ist in der Frage, welche Aufgaben vom Staat geregelt werden beziehungsweise Privaten überlassen werden, weitgehend neutral. Der Verfassungsgerichtshofe geht jedoch von einem Bestand staatlicher Kernaufgaben aus, dessen sich der Staat nicht an Private entledigen darf. Die Grenzen sind weitgehend unscharf. Privatisierungsfest ist jedenfalls der Kernbestand der Rechtspflege, der Polizei, der Landesverteidigung (einschließlich Zivildienst) sowie des Unterrichts- und Bildungswesens. Ergänzende private Aktivitäten sind aber rechtlich zulässig. Der Rückzug des Staates aus dem öffentlichen Aufgabensektor erfolgt vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge. Dieser Trend wird durch die EU massiv vorangetrieben.

Der Staat ist in vielen Bereichen auf privates Engagement und privatrechtlich organisierte Leistungsstrukturen angewiesen. In den Bereichen Menschenrechte, Umweltschutz, Jugendwohlfahrt, strafrechtliche Opferfürsorge und viele andere sind es private Organisationen, die ein vielfältiges Staatsversagen kompensieren", erklärt Professor Dr. Karl Weber von der Universität Innsbruck.

Das Tiroler Anwaltssymposium
Das Tiroler Anwaltssymposium besteht seit 2003. Als Kommunikationsplattform konzipiert, dient es dem Informations- und Meinungsaustausch sowie der Standortbestimmung für die Tiroler Rechtsanwaltschaft.

Über die Jahre hat sich das Symposium zu einem angesehenen Forum im Tiroler Raum entwickelt, in dessen Rahmen nicht nur rechtliche, sondern auch gesellschaftsrelevante Themen Platz finden und diskutiert werden.

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